Archiv der Kategorie: Kreis Rügen/ Pommern

Auswanderung Gustav PIEL

Anekdoten und Geschichten über die Ahnen werden ja in den meisten Familien erzählt und von Generation zu Generation weitergegeben. Meist sind diese durch die vielen Jahre leider verfälscht worden. Es kamen „Fakten“ hinzu, andere sind verloren gegangen, einen wahren Kern haben aber die Meisten (mal abgesehen von den Geschichten des verarmten Landadels). Ich finde es immer wieder spannend diesen Geschichten auf den Grund zu gehen und mit Quellen zu untermauern oder eben als Legende zu enttarnen.

In der Familie meiner Frau wurde beispielsweise erzählt, dass ihr Urgroßvater Gustav Friedrich Wilhelm PIEL im Alter von 19 Jahren mal ein Jahr in Amerika war.

Und da ich bisher noch keine Auswanderer in meiner Familie entdecken konnte, wollte ich diese Geschichte doch einmal prüfen.

Zunächst mal die gesicherten Fakten.

Gustav Friedrich Wilhelm Piel wurde am 18.07.1867 in Parchtitz auf der Insel Rügen geboren und am 04.08.1867 getauft. Die Eltern sind

Joachim Nicolaus Karl PIEL (*29.08.1830 in Mursewiek)

Wilhelmine Dorothea Friederike MEINKE (*05.01.1832)

Weiterhin ist bekannt, dass er am 10.09.1898 in Schweikvitz die Hedwig Marie Sophie SELLIN heiratet und kurze Zeit später das erste Kind des Paares, Carl Gustav Hermann PIEL (*24.10.1898 in Trent auf Rügen), geboren wird.

Durch eine Suche in den Hamburger Passagierlisten, die bei ancestry.de verfügbar sind, konnte tatsächlich eine evtl. passende Ausreise gefunden werden. Zwar liegt diese nicht im eigentlichen Suchzeitraum, aber alle Daten wie der Name, das Geburtsjahr und die Herkunft passen genau. Weitere in Frage kommende Ausreisen konnten auch nach genauerer Suche nicht ermittelt werden. Es ist tatsächlich nur eine Abreise eines Gustav PIEL von der Insel Rügen, genauer aus Dolgemost, aufgelistet.

Gustav PIEL reiste demnach am 16.11.1893, also im Alter von 26 Jahren, von Hamburg  nach Halifax in Kanada. Auf der Passagierliste sind keine weiteren Familienmitglieder verzeichnet und es scheint, als ob er alleine in das Abenteuer aufbrach.

Auszug Passagierliste 1893 (Quelle: ancestry.de)

Auszug Passagierliste Hamburg 1893 (Quelle: Ancestry.com)

Lt. Angaben der Passagierliste, war er auf dem Zwischendeck des Dampfschiffes „Stubbenhuk“ untergebracht. Da Gustav PIEL auch auf der kanadischen Passagierliste des Hafens Halifax verzeichnet ist, ging er somit auch nicht bei einem Zwischenstop von Bord und ist wohlbehalten am 29.11.1893 in Kanada angekommen.

Gustav Piel - Passagierliste Halifax

Auszug Passagierliste Halifax 1893 (Quelle: Ancestry.com)

Am Rand der Passagierliste entdeckte ich noch mögliche Zielorte der Passagiere. Es scheint als ob Gustav PIEL weiter in den amerikanischen Bundesstaat Wisconsin reisen wollte.

Welches genaue Ziel Gustav PIEL dort hatte, und auf welchem Wege er dies evtl. tat, kann ich bisher leider nicht nachweisen. Immerhin trennen Halifax und Wisconsin noch gute 3000km. Bekannt ist, dass die Stubbenhuk weiter nach Baltimore reiste. Vielleicht blieb er an Bord? Seine Spur verliert sich danach, da er in keiner weiteren zurzeit verfügbaren Passagierliste, Volkszählung oder ähnlichen Quelle aufgeführt ist.

Fakt ist jedoch, dass er spätestens Anfang 1898 wieder zurück auf der Insel Rügen ist, da sein erster Sohn im Oktober 1898 geboren wird. Über die Gründe der frühen Rückkehr kann leider nur spekuliert werden. Auch der genaue Zeitpunkt der Rückkehr kann bisher nicht ermittelt werden.

Vieles bleibt bis jetzt leider weiter unklar. Aber ich werde hier sicherlich weiter recherchieren.

Es gab aber tatsächlich eine kurze Auswanderung nach Amerika. Die Geschichte kann also auf den nächsten Familienfeiern weitererzählt werden und mit den neu gewonnenen Informationen „ausgeschmückt“ werden…

Update vom 09.02.2016

Karen Feldbusch von https://vorfahrensucher.wordpress.com wies mich nach der Veröffentlichung des Beitrages auf einen sehr interessanten Bestand im Landesarchiv Greifswald hin. Dort sind, unter Signatur Rep. 65 c Nr. 160, Listen über die Entlassung aus der preußischen Staatsbürgerschaft archiviert. In Preußen war die Auswanderung ab 1818 von staatlicher Seite genehmigt, ab 1842 musste die Auswanderung bewilligt werden.

In diesem Bestand ist Gustav Friedrich Wilhelm PIEL als „Entlassener“ aufgeführt. Seine neue Heimat wird mit „Amerika“ angegeben. Mit diesem Eintrag ist nun die oben gefundene Auswanderung eindeutig zugeordnet, da alle Daten übereinstimmen.

Entlassung preussische Staatsbürgerschaft Gustav Piel

Entlassung aus preußischer Staatsbürgerschaft – Gustav Piel (Quelle: Landesarchiv Greifswald Sig. Rep. 65c Nr. 160)

In der letzten Spalte ist die „Journal Nummer der Urkunde“ aufgeführt. Eine Rückfrage an das Landesarchiv Greifwald vom 09.02.2016 ergab, dass diese Urkunden nicht im Bestand enthalten sind. Es wird vermutet, dass die Urkunden nach Auflösung des Regierungsbezirkes Stralsund (01.10.1932) in das Archiv nach Stettin verlagert worden sind. Über den weiteren Verbleib und ob diese Vermutung richtig ist, ist leider nichts bekannt.

Falls sie Hinweise und Ansatzpunkte haben, die ich bisher nicht berücksichtigte, freue ich mich über eine Kontaktaufnahme.

Hinweis

Eine sehr gute Übersicht und kostenfreie Quellen zum Thema Einwanderungen nach Kanada bieten die Internetseiten der kanadischen Nationalbibliothek. Dort liegen beispielsweise auch die kanadischen Passagierlisten der verschiedenen Häfen in digitalisierter Form vor.

 

Randbemerkung

Das Schiff auf dem Gustav PIEL nach Halifax reiste, wurde 1913 nach Japan verkauft und in „Komagata Maru“ umbenannt. Das Schiff erlangte später traurige Berühmtheit, der als Komagata Maru-Zwischenfall bezeichnet wird. Interessierte können bei Wikipedia gerne weiterlesen.

Komagata Maru (Quelle: Vancouver Public Library)

Komagata Maru (Quelle: Vancouver Public Library)

Familie ZILM – PAEPER auf Rügen

Die Forschungen zu den Vorfahren meiner Frau führen mich immer mal wieder auf die Insel Rügen. Vor einigen Tagen erhielt ich eine umfangreiche Urkundensammlung aus dem ehemaligen Standesamt Trent auf Rügen, dessen ehemaligen Bestände nun im Kreisarchiv Stralsund archiviert sind.

Eine Mitarbeiterin des Archives führte eine sehr tolle und ausführliche Suche aus, durch die ich in einer Nebenlinie auf eine sehr kinderreiche Familie stieß. Es konnten nach jetzigem Wissenstand 16! Kinder zugeordnet werden, was auch für damalige Zeiten eine durchaus hohe Kinderzahl ist. Bisher hatte ich solche Anzahl nicht annähernd in meinen Datensammlungen. Wie üblich, überlebten jedoch nur wenige das Kindesalter. Alle anderen habe ich in der unten stehenden Liste hervorgehoben.

Diese Daten möchte ich hier veröffentlichen, da sie evtl. für andere Familienforscher hilfreich sind. Zu den Kindern sind auch die späteren Ehepartner und in einigen Fällen die Kinder bekannt. Die Verbindung zu den Vorfahren meiner Frau besteht in der Ehe des 3. Kindes Gustave Minna Maria ZILM, die am 11.11.1900 den Wilhelm Carl Malte NEISNER in Schaprode heiratet.

Es handelt sich um die Familie

Eduard Carl Johann ZILM – Friederike Johanna Jacobine PAEPER

Eduard Carl Johann ZILM wird in den Urkunden von 1882-1887 als „Einlieger zu Dwarsdorf, Gutsbezirk Vaschvitz“ bezeichnet. Ab spätestens 1893 ist die Familie zuerst in Tribkevitz dann in Freesen ansässig.

Weitere Daten zum Ehepaar, wie bspw. Heirats- und Sterbedaten, sind zurzeit nicht bekannt. Aus einer Heiratsurkunde eines Kindes geht hervor, dass beide 1910 in Trent wohnhaft sind.

Nachfolgend die Kinder:

  1. Auguste Karoline Johanne ZILM *11.02.1871 Rappin – verheiratet mit UDARS
  2. Elise Clara Auguste ZILM *26.01.1873 Postelitz – verheiratet mit HERMANN
  3. Gustave Minna Maria ZILM *26.04.1874 Kartzitz – verheiratet mit NEISNER
  4. Carl Heinrich Moritz ZILM *errechnet Mai 1876 Patzig – †12.09.1883 Dwarsdorf
  5. Johann Wilhelm August ZILM *errechnet um 1877 Helle – †11.01.1896 Kosel/ Freesen
  6. Emma Auguste Friederike ZILM *21.07.1879 Helle – †22.10.1918 Bergen – verheiratet mit PUTBRESE
  7. Caroline Johanna ZILM *errechnet um 1880 Helle – †26.03.1886 Dwarsdorf
  8. Wilhelmine Johanna Carolina *12.05.1882 Dwarsdorf – †16.08.1882 Dwarsdorf
  9. Wilhelm August Hermann ZILM *06.08.1883 Dwarsdorf – †05.08.1915 Narew (Ostfront)
  10. NN (männlich) ZILM *27.01.1885 Dwarsdorf – †27.01.1885 Dwarsdorf
  11. Christof Emil Adolf ZILM *23.02.1886 Dwarsdorf – †1947 Bergen – verheiratet mit RISCH
  12. Anna Emilie Mathilde ZILM *25.04.1887 Dwarsdorf – †06.07.1887 Dwarsdorf
  13. NN (weiblich) ZILM *04.07.1888 Dwarsdorf – †06.07.1888 Dwarsdorf
  14. Emilie Martha Mathilde ZILM *09.11.1891 Dwarsdorf – †29.08.1892 Dwarsdorf
  15. Martha Auguste Karoline ZILM *18.09.1893 Tribkevitz – †02.10.1893 Tribkevitz
  16. Karl Walter Albert ZILM *24.07.1896 Freesen – †29.07.1896 Freesen

Zur besseren Übersicht habe ich eine pdf-Datei erstellt. Die zugehörigen Urkunden können gerne bei mir angefordert werden. Außerdem sind die Daten auch in GEDBAS zu finden!

Über Ergänzungen würde ich mich freuen. Meine Emailadresse finden sie im Impressum.

Das Rätsel Piotrowski… Nr. 4

Fortsetzung des Beitrages: Das Rätsel Piotrowski… Nr. 3

Es gibt Neuigkeiten! Und zwar sehr erfreuliche…

Entgegen den Aussagen aus dem Jahr 2000, existieren die Amtsgerichtsakten aus dem Jahr 1948 doch noch! Vor einiger Zeit fragte ich per Email im Stadtarchiv und Landesarchiv in Greifswald nach den Akten und der bekannten Aktennummer. Und nur kurze Zeit später bekam ich eine positive Rückmeldung aus dem Landesarchiv in Greifswald. Lt. Aussage des Mitarbeiters sind diese auch erst seit kurzer Zeit erschlossen. Wir haben unsere Anfrage wohl genau zum richtigen Zeitpunkt gestellt. Einen großen Dank möchte ich noch an die sehr hilfsbereiten und kompetente n Mitarbeiter des Landesarchiv in Greifswald richten.

Wir konnten die beiden vorhandenen Akten dann im Landesarchiv einsehen und die wichtigsten Sachen konnten kopiert werden. Viele Interessante Neuigkeiten konnten herausgefiltert werden, wobei ich in diesem Beitrag auf den Prozess der Namensänderung eingehen will.

Die Namensänderung

Merkwürdig war, dass lt. den Randvermerken auf den Standesamtsregistern, die Genehmigung zur Namensänderung im Mai 1910 vom Regierungspräsidenten in Marienwerder ausgestellt worden ist, Johann Wilhelm PIOTROWSKI im September desselben Jahres auf Rügen geboren ist und ein Amtsgericht 38 Jahre später eine Namensänderung anordnet.

Dies konnte anhand der Akten nun eindeutig geklärt werden.

Nachfolgend ist die Abschrift der Genehmigung der Namensänderung vom Reichsregierungspräsidenten aufgeführt:

Abschrift Namensänderung

Die Genehmigung umfasst somit die Eltern Ludwig PIOTROWSKI und Luise Bertha geborene JUNG und 3 Geschwister des Johann PIOTROWSKI. Der am 18.09.1910 geborene Johann PIOTROWSKI, hätte demnach schon den Familiennamen PETERS tragen dürfen, da zum Zeitpunkt seiner Geburt, die Nachnamen der Eltern bereits geändert worden sind. Er ist aber noch mit dem alten Familiennamen im Standesamt verzeichnet worden, da

“ […] aus irgendwelchen Gründen die zuständigen Standesämter von dieser Namensänderung nicht unterrichtet worden […]“

Zitat aus Amtsgerichtsakten 1948

sind.

Im weiteren Verlauf wird es noch klarer:

“ […] Der Grund der späten Ausführung der Verfügung des Herrn Regierungs-Präsidenten in Marienwerder ist der Umstand, daß der mit der Genehmigung zur Namensänderung Bedachte, der Arbeiter Ludwig Piotrowski, die ihm zugegangene Genehmigung jahrelang aufbewahrte, ohne es zu veranlassen, daß nun auch die abänderungsbedürftigen Personenstandsurkunden Berichtigung erfuhren, da auch behördlich (Regierung in Marienwerder) diesbezüglich nichts veranlasst zu sein scheint[…]“

Zitat aus Amtsgerichtsakten 1948

Der 1909 geborene Max PIOTROWSKI ist in der Genehmigung von 1910 nicht aufgeführt, da zum Zeitpunkt der Geburt der Antrag auf Namensänderung beim Regierungspräsidenten Marienwerder noch lief. Die Familie ergänzte den laufenden Antrag jedoch nicht um den neugeborenen Sohn, sodass dieser von der Namensänderung ausgeschlossen war. Dies hob das Amtsgericht dann auch noch hervor, verweigerte aber die Führung des Familiennamen PETERS nicht.

Die Akten enthalten Angaben zur gesamten Familie PIOTROWSKI und deren Nachkommen. Auch die Geschwister des Johonn PIOTROWSKI strebten dann in den 40er Jahren eine behördliche Klärung des Sachverhaltes an. Dieses Verfahren beim Amtsgericht zog sich dann über mehrere Jahre bis 1948 hin, auch weil wichtige Unterlagen zwischenzeitlich nicht auffindbar waren.

Somit ist der Prozess der Namensänderung nun nachvollzogen. Zu den Gründen der Namensänderung, liegen in den Akten leider keine Hinweise vor. Nur eine Abschrift des Beschlusses des Regierungspräsidenten Marienwerder und die damalige Aktennummer ist verzeichnet.

Ob in den polnischen Archiven noch Akten verfügbar sind, ist zurzeit unbekannt. Eine Recherche dazu wird aber noch unternommen.

Was jedoch klar aus den Akten hervorgeht, ist der Weg der Übersiedlung von Kongresspolen Richtung Rügen, den ich in einem Folgebeitrag näher erläutern werde.

Weiter im nächsten Beitrag: Das Rätsel Piotrowski… Nr. 5