Vor einigen Wochen las ich durch Zufall einen Erfahrungsbericht des Pastors Siegfried Bublitz aus der Gemeinde Garrin – Kreis Kolberg, der mich einige Zeit beschäftigte und über den ich heute berichten möchte.
Wie schon an vielen Stellen erwähnt, sind viele hinterpommersche Kirchenbücher nach oder im Laufe des 2. Weltkrieges vernichtet worden oder gelten heute als verschollen. Die Familienforscher auf diesem Gebiet kennen dies leider nur zu gut. Bisher habe ich dies bei meinen eigenen Forschungen zähneknirschend hingenommen. Über die genauen Umstände, wie es dazu kommen konnte, habe ich aber noch nie wirklich intensiv nachgedacht. Liest man den oben erwähnten Erfahrungsbericht, wird das Schicksal der vielen verlorenen Kirchenbücher klarer. In seinem Erfahrungsbericht über die
„Mißglückte Flucht entlang der Küste Richtung Treptow, die ersten Wochen der russischen Besatzungszeit und die Rückkehr ins Heimatdorf“ – Herausgegeben vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (BMVt)
beschreibt Pastor Siegfried Bublitz die Situation im Dorf nach der zwischenzeitlichen Rückkehr wie folgt:
„[…] Wie freuten wir uns, als am Sonntag, 15. April, wir schon von weitem den hohen Garriner Kirchturm sahen und die ersten Gemeindeglieder uns begrüßten mit gerührter und rührender Freude: Unser Pastor ist wieder da. Aber welch Bild, als wir von hinten durch den Garten dem Pfarrhaus uns näherten. Mitten im Garten der eiserne Kirchenkasten aus dem Keller, erbrochen, die alten Kirchenbücher im Schmutz, die Wege mit Papier besät. Über den Zustand des Pfarrhauses selbst steht in meinem Tagebuch das eine Wort: „wüst”. Zwar die Bücher und Akten, wohl weil schlecht zu Geld zu machen, waren verhältnismäßig unversehrt, aber in den Zimmern, vor den Fenstern und besonders im Keller: Berge von Papier, Scherben, Bildern, Federn, Wäscheresten und Schmutz. Der Kirchhof um die Kirche, der als Munitionslager gedient hatte, war zerfahren, die Pfeiler der Eingangspforte umgestürzt. […] Die Kirche hatte einen Granattreffer im Dach, von dem Splitter bis in den Kirchenraum gedrungen waren und noch in den Bänken steckten. […]
Obwohl die Kirchenbücher anscheinend die ersten Tage und Wochen der Kriegshandlungen überstanden haben, existieren heute keine bekannten Bestände des Kirchspiels Garrin. So oder ähnlich wird die Situation in vielen Orten Hinterpommerns ausgesehen haben und erklärt die großen Verluste die durch die Kriegshandlungen bedauerlicherweise entstanden sind.
Um so erfreulicher sind immer wieder Meldungen über wiederentdeckte Kirchenbücher und Standesamtunterlagen aus Hinterpommern. Wie beispielsweise „Die Odyssee des Labeser Kirchenbuchs“ und einen Aktenfund in einer Müllsortieranlage die unter anderem die Geburtsurkunden des Standesamtes Hagenow mit Sitz in Zarben aus den Jahren 1901 und 1925 enthielten.
Und noch erfreulicher ist die professionelle Arbeit der Staatsarchive und anderer Institutionen und Vereine in Polen. Viele Forscher werden mir sicherlich recht geben, dass die Forschung in polnischen Archivbeständen mittlerweile einfacher ist als die Familienforschung in einigen Bereichen Vorpommerns.